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ein, bei nebenstehendem Bild han-
delt es sich nicht um eine Abbil-
dung des Vorgänger-Gotteshauses
unserer heutigen Stiftskirche, der Stich
zeigt die alte romanische Klosterkirche von
Lorch im Remstal. Warum dies? So etwa
darf man sich das Langhaus der Dettinger
Vorgängerkirche im Inneren vorstellen.
Den äußeren Eindruck vermitteln zum
einen unser Titelbild und die beiden 1849
von Jan Mali (1828–1865) gefertigten An-
sichten als Ölskizze bzw. in Aquarelltech-
nik (Ausschnitte). Allen darf künstlerische
Freiheit zugemessen werden, in weit grö-
ßeren Maße dem um 1840 entstandenen
Bild von Sophie Pilgram, das den Titel des
Bildbandes »Dettingen in alten und neuen
Ansichten« schmückt. Exaktere Ansichten
der alten Kirche zeigen die beiden techni-
schen Illustrationen, erstellt nach der Ko-
pie eines Planes von 1850 (siehe nächste
Seite unten).
Der Uracher Dekan Kuhn sprach bei sei-
ner Einweihungsrede zur neuen Kirche, be-
zugnehmend auf den Vorgängerbau, von
einem »alten Kirchlein, ehrwürdig, wie ein
betagter Greis«. Das »Handbuch der kirch-
lichen Kunst ...«, 1868 in Leipzig er-
schienen, schreibt von einer »einfa-
chen kleinen Pfeilerbasilika mit
goth. Chor«. Der schiefe Turm
trug glasierte Ziegel, das Dach war
mit roten Hohlziegeln eingedeckt.
Ein Anfang im Dunkel der
Geschichte
Dieser Bau war aber nicht die erste Kir-
che. Ein möglicher Vorgängerbau war ver-
mutlich aus Holz errichtet. Die einfache
kleine Pfeilerbasilika wurde um 1483 nach
Anweisung des Grafen Eberhard im Bart
ausgebessert, der alte romanische Chor ab-
gebrochen und etwa zwischen 1483 und
1491 der jetzige Chor erstellt.
Das Gotteshaus war kürzer als die jetzige
Kirche, maß mitsamt dem Chor rund 35
Meter. Wo heute im Innern die hintersten
Steinpfeiler stehen, war ihr glatter Ab-
schluss. Betrat man die Kirche von der
Westseite durch eine schmale Türe, so tat
sich vor dem Auge ein hoher, durch Pfeiler
und Bögen geschmückter Raum auf. Licht
kam in erster Linie von oben: durch je fünf
schmale Rundbogenfenster beleuchtete es
den sakralen Raum. In 11,5 Meter Höhe
schloss das Mittelschiff mit einer flachen
Holzdecke ab. Der mächtige, strenge Ein-
druck ging zweifellos von der Reihe der
wuchtigen, quadratischen Steinpfeiler aus,
die rechts und links das Mittelschiff be-
grenzten, durch Rundbögen miteinander
verbunden. Die Seitenschiffe waren we-
sentlich niedriger als das Mittelschiff und
schlossen ebenfalls mit einer flachen De-
cke ab. Die Pfeiler trugen »Kämpfer« aus
Keupersandstein, die meisten mit Schach-
brett-Ornament (Würfelfriese). Solche fan-
den sich, wiederverwendet als Fundament-
steine, bei den Renovierungsarbeiten im
Mai 1989 (siehe Foto unten).
Unbehindert schweifte der Blick
durch das romanische Kirchen-
schiff direkt in den Chor, denn
die Kanzel hatte ihren Platz am
zweiten Pfeiler des Schiffs (siehe
Grundriss). Vorne befanden sich
die Stühle für die Pfarrer, den
Schultheißen und die Schullehrer, seitlich
die Extraplätze für weitere gewichtige Per-
sönlichkeiten des Ortes.
Wieviel Plätze bot die alte Kirche? Im
Schiff konnten 800 Personen sitzen, und da
man im rechten Seitenschiff als auch auf
der rechten Seite im Chor eine (wohl un-
schöne) Empore eingezogen hatte, fanden
rund 1200 Besucher Platz.
Da Kirchenbesuch zu den Pflichten der
Bürger zählte, war immer wieder von
Raumnot die Rede. Das Kirchenkonvents-
Protokoll vom 14. August 1843 hält fest,
dass die Kirche »für die Bevölkerung zu
klein« sei. Dettingen zählte zu der Zeit
etwa 2600 Einwohner.
Dettingens alte Kirche oder Aus dem Leben eines »betagten Greises«
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